Verein ändert Konzept, um Rettung zu ermöglichen – SPD will trotzdem schließen.
In Konsequenz eines breit angelegten direktdemokratischen Entscheidungsprozesses, der die Gespräche zwischen Verein und Stadtverwaltung im Laufe des Jahre 2012 begleitet hat, entschied der Archiv e.V. auf seiner Mitgliedervollversammlung am 09.12.2012 in Folge des finanziellen Drucks, sein Konzept einschneidend zu ändern. Zielstellung der Konzeptänderung ist die deutliche Steigerung der regelmäßigen Einnahmen des Vereins, sodass er sich neben den ohnehin geplanten Eigenleistung in deutlich größerem Maße an der Finanzierung der notwendigen Sanierungen beteiligen kann.
Auf Basis dieser Änderung wird der Verein in Zukunft feste Mieten von allen Projekten, Proberäume-NutzerInnen und BewohnerInnen verlangen müssen und auf diesem Wege seine monatlichen Einnahmen stabil um 2000 € steigern können. Zudem sollen zusätzliche Einnahmen aus veränderten Preisschemata bei Getränken (Hausmarken und „ala carte“ Angeboten) und Eintritten („von-bis“ Preise) entstehen – beabsichtigt sind hierdurch Mehreinnahmen in Höhe von mindestens 1000 € pro Monat, welche sich jedoch nicht ad hoc planen lassen. Hiermit muss der Verein zuerst Erfahrungen sammeln.
Alles in allem strebt der Verein durch die im Konsens beschlossenen Maßnahmen eine Erhöhung seiner regelmäßigen monatlichen Einnahmen um mindestens 3000€ an, die zu 100% in die Sanierung und verbundene Kostenpositionen fließen werden. Dabei nimmt er zwar erhebliche Veränderungen seines unkommerziellen Grundgedankens durch die Einführung von Zwangsabgaben in Kauf, will jedoch seinen sozialen, kostengünstigen und solidarischen Charakter erhalten. Daher ist dies die absolute Grenze seiner finanziellen Leistungsfähigkeit.
In den vergangenen 18 Jahren konnte das Archiv zuverlässig auf Plus Minus Null im Jahresabschluss wirtschaften. Im Durchschnitt bestreitet der Verein seit 2008 monatliche Kosten in Höhe von 2400 €.
Im Jahr 2013 sind jedoch unabhängig von der Situation in Potsdam erhebliche Kostensteigerungen zu erwarten. Zum Einen durch steigenden Energiepreise, die alle berühren und durch die neuen GEMA-Gebühren, die gerade Einrichtungen wie das Archiv hart treffen werden. Vorsichtige Schätzungen gehen von einer Steigerung der monatlichen Belastung um mindestens 500 € aus.
Zudem gesellen sich zusätzliche Kosten in Höhe von mindestens 20% der bisherigen Betriebskosten (also ca. 500 €) für den Fall, dass die Brandschutzsanierung endlich durchgeführt werden kann. Diese Mehrkosten entstehen aus der Installation einer Brandmeldeanlage und einer Entrauchungsanlage, die zusätzlichen Strom verbrauchen werden, regelmäßig gewartet werden müssen und die Bildung von Rücklagen obligatorisch machen, sodass im Fall von Defekten schnell für Ersatz gesorgt werden kann.
In dieser Situation verlangt die Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam, dass der gemeinnützige Archiv e.V. einen immensen Kredit aufnimmt, um das Vereinsgebäude zu kaufen und die Sanierungen zu finanzieren. Obwohl die Verwaltung eine aus Restmitteln im Laufe der letzten Jahre angesparte Summe hinzugeben würde, wäre die Belastung für den Verein nicht tragbar.
In Zahlen ausgedrückt bedeutet dieses Szenario: Der Archiv e.V. solle die Liegenschaft Leipziger Str. 60 zum ermittelten Verkehrswert von 280.000 € kaufen – finanziert aus den bereit stehenden Zuwendungsmitteln der LHP, welche sich heute auf 575.000 € belaufen. Folgend solle der Verein die ausstehende Summe zur Finanzierung der Sanierungskosten (insgesamt 1.150.000 €) durch einen Kredit decken. Diese „Restsumme“ würde sich nach Gegenrechnung des Verkehrswertes und der Zuwendung auf eine Höhe von 855.000 € belaufen.
Legt man die keinesfalls abgesicherte Überlegung zu Grunde, dass der Archiv e.V. einen sehr günstigen Kredit zu 2,9 % effektiven Jahreszins bei 30 jähriger Laufzeit und 20 jähriger Zinsbindung erhält, würde dies eine absolute Belastung des Vereins nach 20 Jahren von 570.000 € Kredittilgung, 331.289 € Zinsbelastung und einer dann noch verbleibenden nicht mehr zinsgebundenden Restschuld von 285.000 € – also von insgesamt 901.289 € geleistete Zahlungen nebst Restschuld – bedeuten. Die zusätzliche monatliche Belastung für den Verein läge bei 4441 € beginnend mit der ersten Tilgungsrate und Zinszahlung.
Diese Belastung kann der Archiv e.V. unter Berücksichtigung der sowieso schon steigenden Kosten auf keinen Fall tragen, zumal, sollte der vorhersehbare Fall eintreten, dass der Verein diesen immensen Kredit nicht bedienen kann, die Liegenschaft Leipziger Str. 60 dann im sanierten Zustand an die jeweilig kreditgebende Bank fällt und der Kommune endgültig verloren geht.
Diesen Weg kann und will der Archiv e.V. nicht gehen. Das Risiko, dadurch nicht nur den Verein zugrunde zu richten und ein wichtiges soziokulturelle Projekt in Potsdam einzustampfen, sondern auch noch dafür zu sorgen, dass eine weitere Liegenschaft Potsdams zu einem Objekt willkürlicher und auf Rendite orientierter Spekulation einer Bank wird, ist nicht zu verantworten.
Zum großen Erstaunen des Archiv e.V. fordern die Verwaltung und auch die Fraktion der SPD aber eben genau diese Vorgehensweise. Der Archiv e.V. möchte unter Bezugnahme auf die mit der Verwaltung erörterten Alternativen andere Wege gehen, die das Risiko der Schädigung des Vereins und des Verlustes der Liegenschaft minimieren oder sogar beseitigen. Nach seiner Konzeptänderung hat der Verein deutlich größere finanzielle Spielräume und könnte die folgenden zwei Varianten tragen:
Die beste Lösung aus Sicht des Archiv e.V. wäre, wenn die LHP ihr Angebot, das Eigentum an der Liegenschaft für einen Euro auf den Verein zu übertragen, einhalten würde. Damit müsste der Verein einen bedeutend geringen Kredit aufzunehmen.
In Zahlen würde dies bedeuten: Die LHP überträgt die Liegenschaft zu einem Euro auf den Verein – ein Spender für diese Summe wäre bereits gefunden. Somit verbliebe die volle Zuwendung von 575.000 € und der Verein müsste lediglich einen Kredit über ca. 575.000 € abzüglich der bereits geleisteten Leistungen und der möglichen Eigenbaumöglichkeiten aufnehmen. Damit ließe sich auf eine Kredithöhe von maximal 500.000 € hoffen. Dies würde zu den beschriebenen Konditionen eine absolute Belastung des Vereins nach Ablauf von 20 Jahren Zinsbindung in Höhe von 333.333 € Kredittilgung, 144.968 € Zinskosten und einer Restschuld von 166.667 € bedeuten. Die monatliche Belastung des Vereins würde 2290 € betragen und damit innerhalb der tragbaren Grenzen liegen.
Diese Variante könnte mit den gesteigerten Einnahmen nach Konzeptänderung durch den Verein getragen werden und würde mit hoher Zuverlässigkeit die Existenz des Archivs sowie den Verbleib der Liegenschaft in einem der Kommune zuträglichen Zweck absichern.
Sollte es jedoch nicht gelingen, diese Version umzusetzen, stünde immer noch die risikoaverse Möglichkeit zur Verfügung, dass die Liegenschaft sowie die im Haushalt der LHP bereitgestellten Gelder dem Kommunalen Immobilien Service (KIS) überschrieben werden und dieser unter Kreditaufnahme in Kooperation mit dem Archiv e.V. die Sanierungen vornimmt. Folgend würde der KIS das Gebäude zu einem rentierlichen Zins von 1 € pro m² an den Verein vermieten. Mit diesem Mietzins könnte der KIS den aufgenommen Kredit langfristig tilgen und der Verein müsste mit einer zusätzlichen monatlichen Belastung von 2875 € arbeiten.
Zumindest mit Blick auf die finanzielle Belastung aus dem Mietzins könnte der Archiv e.V. diese Variante tragen. Es wären jedoch vor endgültiger Stellungnahme zu dieser Möglichkeit durch den Verein noch der konkrete Mietvertrag und der genaue Ablauf der Sanierungsarbeiten zu klären.
Zum großen Bedauern des Archiv e.V. hat sich die Diskussion um die Finanzierung der notwendigen Sanierung des Vereinsgebäudes in den letzten Monaten maßgeblich in die Richtung entwickelt, dass der Verein verpflichtet sei, die noch nötigen Gelder aufzubringen.
Selbstverständlich will der Archiv e.V. seinen Teil zur Finanzierung beitragen und hat hierfür durch die schmerzliche Änderung seines Konzeptes eine riesigen Schritt getan. Diese Konzeptänderung definiert aber auch gleichzeitig eine absolute Grenze, die der Verein nicht überschreiten kann, ohne das das Projekt seinen Zweck verliert – nämlich ein soziales, kostengünstiges, solidarisches und vor allem nicht kommerzielles soziokulturelles Zentrum für Potsdam zu betreiben.
Bereits zum 5. Jahr in Folge nimmt die Erhaltung des Archivs seinen Platz in den Top 20 des „Bürgerhaushaltes der LHP“ ein. Trotzdem konnten sich die Stadtverordneten nicht dazu durchringen, ihren eigenen Beschluss zum dauerhaften Erhalt des Standorts umzusetzen. Zumal der Beschluss ausdrücklich den Oberbürgermeister und damit die Verwaltung beauftragt, ein Finanzierungskonzept vorzulegen und eben nicht den Archiv e.V. – auch wenn das in der heutigen Debatte unfairerweise anders gehandhabt wird.
Abschließend ist festzuhalten, dass aus Verwaltung und Politik vom Verein immer wieder Zugeständnisse insbesondere in finanzieller Hinsicht verlangt werden. Nun hat der Archiv e.V. durch seine Konzeptänderung einen bedeutenden Schritt getan, der ihn an seine Grenzen führt – dieses Zugeständnis wird aber nicht anerkannt, sondern stattdessen der Verein mit Forderungen überzogen, die er nicht erfüllen kann.
Aus unsere Sicht ist es angesichts der oben genannten Beschlusslage und der substanziellen Zugeständnisse des Vereins nun am Oberbürgermeister und der Stadtverordnetenversammlung, ihrerseits weitere Schritte zum Erhalt des Standortes Leipziger Str. 60 zu unternehmen!
Ansonsten wird das 18 Jahre lang andauernde und unentgeltliche Engagement der vielen NutzerInnen des Archiv e.V. am 31.12.2012 endgültig zu Grabe getragen und die LHP verliert einen funktionierenden soziokulturellen Standort, der sich vor einem bundesweiten Vergleich nicht scheuen muss.
Der Archiv e.V. fordert daher, dass seine Zugeständnisse anerkannt werden und dass die Stadtverordneten sowie der Oberbürgermeister umgehend geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Archiv über die Jahreswende hinaus zu retten und endlich dauerhaft zu sichern.
Mit freundlichen Grüßen,
der Archiv e.V.